"Start-ups sind gute Seite der Macht"
Entrepreneurship. Man sollte Start-ups nicht unbedingt glorifizieren, sagt Unternehmensberater Matthias Prammer. Aber jedenfalls wertschätzen, welchen Beitrag sie leisten. Von Michael Köttritsch

Ein junger Mitarbeiter hat Matthias Prammer einmal erzählt: Früher musste man eine Band gründen, um cool zu sein und über einen herzeigbaren Lebenslauf zu verfügen – heute ein Start-up. Die Zahlen würden zwar eine andere Sprache sprechen, sagt der Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Die Umsetzer, denn Start-ups im engeren Sinn (junge, innovative, auf Wachstum gebürstete Unternehmen) würden nur rund ein Prozent der Gründungen ausmachen und auch nur ein Prozent der Arbeitnehmenden in Österreich beschäftigen. Bedeutung hätten Start-ups aus seiner Sicht allerdings aus drei ganz anderen Gründen.

„Start-ups sind ein Mythos. Sie sind die gute, helle Seite der Macht. Wir mögen diese jungen Menschen, die mit leuchtenden Augen 16 Stunden am Tag arbeiten, dabei gut aussehen und dann noch feiern“, sagt Prammer. Dazu passen Begriffe wie Unicorn (Start-up mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Euro, dessen Anteile nicht an der Börse gehandelt werden), Moonshot (das fast Unmögliche möglich machen …). Und selbst große Unternehmen tragen zum Mythos bei, indem sie (Corporate) Start-ups als „strahlende Gegenkultur zu den eigenen Ärmelschonern“ darstellen, wie Prammer sagt – was oft nicht gerechtfertigt ist, weil der Ertrag kommt meist von den etablierten Unternehmensbereichen. Zweitens befeuern sie die Motivation, Unternehmen zu gründen. Was wirtschaftspolitisch günstig sein, vor allem dann, wenn sie das Ziel haben, Arbeitsplätze zu schaffen. Der dritte Punkt sei der spannendste, sagt Prammer. „Start-ups sind Keimzellen für Ideen und Produkte, die die Welt verändern – zum Besseren. Zumindest in ihren eigenen Erzählungen.“ Es gebe wohl kein Start-up, das erzähle, innovative Streuminen entwickelt zu haben.

 

Auf dem Weg zum Scale-Up 

Wer Start-ups fördern wolle, sollte sie nicht glorifizieren, sondern wertschätzen. Start-up-Gründern empfiehlt er, zehn Punkte zu beachten.

  1. Markt kennen ist genauso wichtig wie das geniale Produkt.
  2. Keine Hockeystick-Planungen – rasch in die Profitabilität kommen.
  3. Echte Risiken durchzudenken ist genauso wichtig wie die Begeisterung für die eigenen Ideen.
  4. Die richtigen Leute an Bord haben: „Schnell ist man alleine, weit kommt man gemeinsam“, sagt Prammer.
  5. Volle Konzentration, nebenbei geht wenig bis nichts weiter.
  6. Persönliche Begeisterung für einen Aspekt der Tätigkeit mitbringen (Forschen, Verkaufen, …).
  7. Keine Angst vor dem Scheitern haben, daraus lernen, es aber auch nicht glorifizieren.
  8. Den richtigen Zeitpunkt treffen: im eigenen Leben und am Markt.
  9. Das richtige Umfeld wählen: eher zum Kunden als in einen Start-up-Hub gehen.
  10. Mut, die Dinge neu anzugehen und doch Demut haben vor dem, was da ist.

Wer diese Punkte umsetze, könne das eigene Start-up zum Scale-up weiterentwickeln. Dass es soweit ist, lässt sich daran festmachen, dass das Produkt bzw. die Dienstleistung am Markt angekommen ist und Zielgruppen erreicht, es Umsatz generiert und der Cashflow in Ordnung ist, auch wenn weiter Fremdkapital benötigt wird.

An der Schwelle vom Start- zum Scale-up zeige sich, ob der Gründungsgedanke tragfähig ist: „Hat er die Kraft etwas wachsen zu lassen.“ Halten Mission, Vision, Purpose? Das sei, sagt Prammer, auch der Moment, in dem man „Mut haben muss, sich selbst zu widersprechen“. Schließlich sei das der Zeitpunkt, in dem man auch feststelle: What brought us here, won’t get us there. Weiter bringen einen „Dinge, die man nie wollte: Regeln, Rollen, Strukturen“. Spätestens dann sei Ordnung unter den Gründern nötig (Stichwort: Großzügigkeit, die braucht es, um sich nicht bei jeder Kleinigkeit zu verzetteln), immerhin werden 95 Prozent der Start-ups im Team gegründet. Und Platz, die Menschen im Team wachsen zu lassen.

 

Mehr zuhören als reden

Für die Führungskräfte werden Zuhören und Selbstreflexion wichtiger. „Als Gründer redest Du viel, das ist fürs Wachstum wichtig.“ Doch das ändere sich eben mit der Zeit. Für die Mitarbeitenden wiederum verändern sich das Beziehungsgeflecht und die soziale Komplexität. Ob man das persönlich auch so wolle, sei letztlich eine Typfrage: Die einen erleben den Wandel vom Start- zum Scale-up „als Wachstum, das Möglichkeiten liefert und Chancen für Neues eröffnet – auch für mehr Verdienst“, sagt Prammer. „Für die anderen ist es die Vertreibung aus dem Paradies, weil es zu Strukturen zwingt.“

 

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