Widerstand ist zwecklos. Oder doch nicht?
Wer im Österreich der letzten 30 Jahre sozialisiert ist, muss weit zurückdenken, um sich an echte Widerstandsbewegungen zu erinnern. Zwentendorf, Konferenzzentrum und Hainburg sind diesbezüglich sicherlich Höhepunkte. Alle Themen haben rasch Einzug in den Mainstream gehalten, (Zwentendorf, Hainburg) oder wurden erfolgreich ignoriert (Konferenzzentrum). Jetzt gibt es sie wieder: Illustre Gruppen wandern über den Ring und demonstrieren gegen das Impfen und die NATO, junge Aktivist:innen kleben sich auf Wiens Straßen fest. Interessanterweise ist auch in den Unternehmen der – oft leise, aber nicht weniger vehement vorgebrachte – Widerstand gegen Veränderungen aller Art äußerst präsent. Wer mit neuen Themen kommt, trifft oft auf eine Welle der Ablehnung. Manchmal gut sichtbar, manchmal sehr verklausuliert im Hintergrund. Daher ist die Frage, welche eine Aktivistin der „Letzten Generation“ in einem Interview sehr offen vorgebracht hat, äußerst berechtigt: Wie leistet man denn eigentlich „richtig“ Widerstand? Hier einige Gedanken dazu:
Regel Nr.1 – Konkret werden.
Wer A nicht will, sollte klar kommunizieren, was stattdessen angestrebt wird. Und das muss mehr als die bloße Erhaltung des Status quo sein. Sogar wenn dieser großartig sein sollte, wird ihn der „wind of change“ trotzdem irgendwann abschleifen – daher sollte immer in Dimensionen der Entwicklung gedacht und argumentiert werden.
Regel Nr.2 - Beim eigenen Beitrag anfangen.
Dies funktioniert in den meisten Fällen inhaltlich am besten und führt zudem oftmals in einen guten Dialog. Das Florianiprinzip („zünd’s andere Haus an“) macht schlicht keinen Sinn.
Regel Nr. 3 – Früh in den offenen Dialog treten.
Am Anfang hart diskutieren, dann ein gemeinsames Bild finden und im Anschluß zusammen umsetzen. Diese Reihenfolge ist eine (oft verletzte) Grundregel für Erfolg und Glück in Organisationen. Verdeckter und / oder zu später Widerstand sind zwar häufig zu beobachten, diese lösen aber viel Ärger und zähe Grabenkämpfe aus.
Regel Nr. 4 – Kollateralschäden vermeiden.
Die Wirkung der Maßnahmen sollte möglichst punktgenau den Grund des Widerstandes treffen. Daher erreichen in Unternehmen diejenigen am meisten, welche auch in Diskussionsphasen ihre Leistung erbringen. Sie werden gehört.
Regel Nr. 5 – Einflussreiche Menschen mit guten Argumenten auf die eigene Seite ziehen.
So kann mittels Verbündeter die eigene Sache aus der sektiererischen Ecke herausgeholt werden. In der Führungstheorie gibt es das Prinzip des „First Followers“. Wichtig ist natürlich, etwas überhaupt erst zu initiieren. Noch wichtiger sind hingegen gut sichtbare Menschen, die diesem folgen.
Regel Nr. 6 – Auf das Warum und die Wirkung, die man erzielen möchte, fokussieren.
Man sollte nicht dogmatisch an alten Maßnahmen festhalten, wenn bereits neue Wege aufgehen. Klingt logisch, ist aber häufig das Schwierigste, weil die Angst, das Gesicht zu verlieren, sehr groß ist. Oft ist zu beobachten, dass sich „Widerstands-Gruppen“ gerne einzementieren und ihre eigentlichen Ziele dabei aus den Augen verlieren.
Regel Nr. 7 – Hartnäckig sein. Eh klar.
Die meisten Vorhaben sind nun mal eher ein Marathonlauf als ein Sprint.
Wer in Unternehmen (und der Gesellschaft) diese Regeln beachtet, wird viel erreichen. Umgekehrt sind sie auch ein Leitfaden für all jene, die mit Widerstand konfrontiert sind. Diese 7 Punkte lassen sich dabei 1:1 oder nur minimal adaptiert anwenden. Im übrigen können alle, die aus einer Manager:innen-Rolle heraus immer wieder für ihre Themen kämpfen, für sich eine goldene Weisheit mitnehmen: Widerstand ist in Veränderungsprozessen (oftmals auch) Applaus: Sie werden gehört. Sie werden ernst genommen. Und das ist immerhin auch eine gute Nachricht.
Zum Autor: Mag. Matthias Prammer ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung „Die Umsetzer“ mit Sitz in Wien und München